Leistungsfähigkeitsprinzip

Leistungsfähigkeitsprinzip
Leistungsfähigkeitsprinzip,
 
Ability-to-pay-Principle [ə'bɪlətɪtə'peɪ'prɪnsəpl, englisch, »Zahlungsfähigkeitsprinzip«], ein finanzwissenschaftlicher Grundsatz für die Verteilung der Steuerlast auf die einzelnen Staatsbürger und damit für die Ausgestaltung der Besteuerung. Die Einzelnen sollen entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit besteuert werden; die Art der mit den Steuern finanzierten Staatsleistungen und die dadurch dem Einzelnen entstehenden Vorteile spielen im Gegensatz zum Äquivalenzprinzip keine Rolle für die Bemessung der individuellen Steuerlast. Das Leistungsfähigkeitsprinzip betrifft zum einen den Aspekt der horizontalen Steuergerechtigkeit: Personen mit gleicher Leistungsfähigkeit sind gleich zu belasten (Gleichmäßigkeit der Besteuerung). Als Steuerbemessungsgrundlage ist damit eine Größe zu wählen, die als Indikator der individuellen Leistungsfähigkeit gelten kann, meist das Einkommen, zuweilen auch (ergänzend) das Vermögen; verschiedener Autoren halten die Konsumausgaben für einen besseren Indikator (Ausgabensteuer). Einkommensteile, die keine Leistungsfähigkeit verkörpern, wären durch Abzug bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage von der Besteuerung auszunehmen. Die Frage, inwieweit neben dem Existenzminimum (z. B. durch Freibeträge) und den außergewöhnlichen Belastungen auch Familienlasten als nicht Leistungsfähigkeit verkörpernde Einkommensteile (»nichtdisponibles Einkommen«) zu berücksichtigen sind, ist umstritten (Kinderlastenausgleich).
 
Wesentlich vager als für die Bemessungsgrundlage sind die Aussagen des Leistungsfähigkeitsprinzips für den Aspekt der vertikalen Gerechtigkeit (Verhältnismäßigkeit der Besteuerung). Ohne weitere Ergänzung würde das Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich besagen, dass Personen mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich zu belasten sind. Offen bliebe dabei, ob die Steuerlast mit zunehmender Leistungsfähigkeit proportional oder überproportional wachsen soll (Frage des Steuertarifs) und wie gegebenenfalls die Progression der relativen Steuerlast auszugestalten ist. Zur Beantwortung dieser Fragen wird auf die Opfertheorie zurückgegriffen, der zufolge der Steuertarif so zu gestalten ist, dass der durch die Steuer bewirkte individuelle Nutzenverlust (das »Opfer«) bei allen Individuen (relativ, d. h. in %) gleich groß ist. Konkrete Schlussfolgerungen lassen sich hieraus allerdings nicht ableiten, da der Nutzen weder kardinal messbar noch interpersonell vergleichbar ist. Die Gestalt des Steuertarifs ist damit wissenschaftlich nicht zu begründen, sondern eine politische Entscheidung. Darüber hinaus wäre in der praktischen Steuerpolitik mit einer Vielzahl an Einzelsteuern das Leistungsfähigkeitsprinzip als Grundsatz und Kriterium »gerechter« Besteuerung eigentlich nicht allein auf eine Steuer (meist die Einkommensteuer) anzuwenden, sondern auf die Gesamtsteuerlast. Dabei müssten auch Steuerüberwälzungsprozesse berücksichtigt werden (Steuerinzidenz).

Universal-Lexikon. 2012.

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